MGG Polymers-Geschäftsführer Chris Slijkhuis geht in den (Un-)Ruhestand. Der Wiener Weltbürger aus den Niederlanden blickt auf eine spannende Zeit zurück – nicht nur in den letzten zwei Jahren, in denen er dem Kunststoff-Recycling-Unternehmen ein völlig neues Image verpasste. Der Versuch, ein Portrait des scheidenden MGG Polymers-Geschäftsführers zu skizzieren…
Wer Chris Slijkhuis kennenlernt, dem fällt sofort seine mitreißend positive Art auf, der man sich partout nicht entziehen kann. Dazu gesellt sich sein ansteckendes Lachen, das diesen Eindruck sofort weiter verstärkt. Genau diese positive Attitude versuchte der gebürtige Niederländer in den vergangenen beiden Jahren als Geschäftsführer auf MGG Polymers zu übertragen und dabei völlig neue Wege zu beschreiten. Dabei war er 2019 eigentlich bereits in Pension und hunderte Kilometer vom Kunststoffrecycling-Werk in Kematen entfernt – doch alles der Reihe nach!
Von Boskoop in die Welt hinaus
Als Sohn eines Baumschulgärtners im holländischen Boskoop war seine Berufslaufbahn nach dem Gartenbau-Studium klar vorgezeichnet: Er sollte die Gartencenter seines Vaters übernehmen. Doch es kam völlig anders – womöglich auch deshalb, weil er durch die vielen Reisen seines Vaters schon in jungen Jahren die weite Welt kennenlernte. So zog es Slijkhuis – was übersetzt Schlammhaus bedeutet – nach dem abgeleisteten Militärdienst in eine Gewächshausfirma im Norden der Niederlande, wo er sich um den Bau von Gewächshäusern in Ländern des Mittleren Ostens und Süd-Europa kümmerte. In Portugal traf er auf eine Gruppe junger Unternehmer und wurde eingeladen beim Aufbau einer Fabrik für Apfelsaftkonzentrat mitzuwirken und so folgten drei Jahre in Portugal.
Die Internationalität folgte Chris Slijkhuis – oder war es doch umgekehrt?! – auch im Privatleben: Seine Frau Els, eine Belgierin, lernte er 1980 während einer Urlaubsreise in Davos kennen. Das Paar kehrte nach der Zeit in Portugal zurück in die Niederlande, um wenig später nach Belgien zu übersiedeln. Beruflich folgten nach einem Intermezzo bei einem Maschinenbaubetrieb, Anstellungen bei einem Flachglasproduzenten sowie einem Verpackungshersteller – und dazu noch ein MBA-Studium an der Universität Antwerpen.
Der Weg nach Wien und ins Silicon Valley
Nun sollte ein Engagement folgen, dass das weitere Leben von Chris Slijkhuis und seiner Familie nachhaltig veränderte. Bei der Pallettenpooling Firma Chep baute er sich nicht nur durch die Teilnahme an Kongressen und Fachverbänden ein großes internationales Netzwerk auf, sondern er übersiedelte mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Wien um die Firma Chep in Österreich, und nachher in der Schweiz und in Tschechien zu gründen. Hier blieb er auch, als er sich beruflich ein weiteres Mal veränderte und zu Flextronics (heute Flex), einem typischen Unternehmen aus dem Silicon Valley, wechselte.
Beim weltweit tätigen Fertigungsdienstleister für bekannte Elektronikprodukt-Hersteller kümmerte sich der Wahlwiener um das Supply-Chain-Management – so etwa für die erste Generation der Xbox von Microsoft. Dadurch war Slijkhuis permanent auf Achse – oder besser gesagt in der Luft: Reisen innerhalb Europas, nach China oder ins Headquarter in den USA standen permanent auf der Tagesordnung. Eines Tages lernte er dabei Mike Biddle kennen – dieser amerikanische Pioniergeist sollte kurze Zeit später mit Christian Müller-Guttenbrunn das heutige Werk von MGG Polymers in Kematen gründen.
Ein Neustart
Dieses Joint-Venture war auch für Chris Slijkhuis ein neuer Startpunkt und er wechselte ins Team von Mike Biddle. Damals schrieb man das Jahr 2005. Kunststoff-Recycling steckte noch in den Kinderschuhen und viele neue Prozesse mussten in Gang gebracht werden – von der Beschaffung des zu recycelnden Materials bis zum Verkauf der fertigen Produkte. Neben dem Werk in Kematen startete man auch in China ein ähnliches Projekt. Für all diese Verzahnungen und Abläufe war Slijkhuis mit seinen unzähligen Erfahrungen in den unterschiedlichsten Sparten über Ländergrenzen hinweg der ideale Mann, um vor allem die komplexen Supply Chain-Prozesse in Gang zu bringen.
Die Finanzkrise 2008 verstärkte die Anlaufschwierigkeiten der Pläne für das Kunststoff-Recycling, doch das Werk in Kematen blieb auf Kurs – Dank der Weitsicht in der Müller-Guttenbrunn Gruppe. „Nur durch den Rückhalt und die Geduld von Müller-Guttenbrunn konnte die Krise in dieser Art bewältigt werden“, ist sich Chris Slijkhuis im Rückblick sicher. „Ich bewundere wie das Unternehmen nicht kurzfristig agiert, sondern über Jahrzehnte hinweg in Generationen denkt und handelt.“
Auf der Suche nach einem Job
Nach dem Einbruch aufgrund der Krise ging es wieder aufwärts – und die Eigentümer des Joint-Venture-Partners von Müller-Guttenbrunn, bei dem Chris Slijkhuis damals angestellt war, bereiteten sich aufgrund der positiven Entwicklung auf einen Börsengang vor – der jedoch niemals kommen sollte. Man installierte ein neues Management, das sogleich kurzfristig ausgelegte Schritte setzte, um beim angedachten Börsengang möglichst gute Zahlen präsentieren zu können.
Dabei entledigte man sich auch zahlreicher bisheriger Wegbereiter, für die man keinen Bedarf mehr sah. Das traf auch Slijkhuis, der mit 58 Jahren plötzlich vor der Herausforderung stand, eine neue berufliche Bleibe zu suchen. „Ich dachte zunächst: Mit fast 60 wird es schwierig werden, einen Job zu finden. Da ist man doch nicht mehr gefragt. Doch rasch hatte ich drei Angebote – der Haken war nur, dass alle im Ausland waren. Ich wollte jedoch in Wien bleiben und nicht mehr ständig unterwegs sein. Bis dahin war es ja leider so, dass ich oft nur am Wochenende zu Hause war“, erinnert sich Slijkhuis. Bei Müller-Guttenbrunn erkannte man die einmalige Chance und sicherte sich die Dienste des vielsprachigen Managers, der fließend Englisch, Holländisch, Deutsch sowie Französisch spricht und dazu auch etwas von Portugiesisch versteht.
Ein kleiner Kulturschock
Es folgte ein kleiner Kulturschock. Slijkhuis, der bis dahin vier Firmen geführt und beim Joint-Venture-Partner von Müller-Guttenbrunn vieles initiiert hatte, lernte nun im familiengeführten Unternehmen in Amstetten andere Arbeitsabläufe und Sichtweisen kennen – Stichwort: Denken über Generationen hinweg. Den Schock verdaute der Weltbürger jedoch rasch und lebte sich im beschaulichen Mostviertel gut ein. Slijkhuis kümmerte sich um das Qualitätsmanagement und die komplexe Materie der Notifizierungen, die für den Transport von zu recycelndem Material benötigt werden. Er betätigte sich allerdings auch in den Bereichen Außendarstellung und E-Waste – was ihn schließlich auch wieder zurück zu MGG Polymers bringen sollte.
Jemand wie Chris Slijkhuis muss jedoch von Zeit zu Zeit aus der idyllischen Beschaulichkeit des Mostviertels ausbrechen. So war der nunmehrige Wiener mit holländischem Akzent immer wieder im Auftrag von EERA, dem Europäischen Verband der Elektronik-Recycler, in Brüssel oder bei den entsprechenden Gremien der Vereinten Nationen. Ebenso war er für die UN-University in Ländern wie Ghana, El Salvador oder Kasachstan unterwegs, um über Kunststoff-Recycling zu referieren.
2019 sollte mit 65 Jahren dann allerdings Schluss sein – oder es zumindest etwas ruhiger werden. Slijkhuis gab Agenden ab und zog für ein Jahr nach Belgien, um dort etwas Lobby-Tätigkeiten über Flammhemmer und Abfalltransporte zu betreiben. Doch die Ruhe im Hintergrund sollte nicht von langer Dauer sein!
Zurück in die erste Reihe
Was war passiert? Der Joint-Venture-Partner von Müller-Guttenbrunn beim Kunststoff-Recycling-Werk in Kematen hatte Schiffbruch erlitten und wurde verkauft. Die Müller-Guttenbrunn Gruppe übernahm die Firma in Kematen vollständig und sah sich 2019 gezwungen, neue Wege zu gehen. Das Werk firmierte mittlerweile unter MGG Polymers und nun fragte man den Kurzzeit-Belgier Chris Slijkhuis, ob er das Unternehmen neu aufstellen könnte. Dieser zögerte keine Sekunde: „Ich habe sofort gewusst, das muss ich machen!“
Auf Slijkhuis und Günther Höggerl, der mit ihm die Geschäftsführung von MGG Polymers übernahm, warteten große Aufgaben. Das Duo sorgte nicht nur für neuen Schwung im Unternehmen, sondern stellte das Unternehmen völlig neu am Markt auf. Hier kam Slijkhuis zugute, dass er sowohl die Sicht des Recycling-Unternehmens als auch die von Produzenten im Elektronikbereich kennt: „Bei MGG Polymers produzieren wir nicht einfach Kunststoffe. Wir produzieren grüne Kunststoffe! So wird aus dem Abfallmaterial aus alten Elektro- und Elektronikgeräten wieder neu gewonnener, grüner Rohstoff, der in neuen Elektro- und Elektronikgeräten verbaut werden kann. Allerdings muss man mit den Produzenten, die grüner werden wollen, in ihrer Sprache sprechen.“
Es funktioniert!
Um sich bestmöglich seiner Arbeit widmen zu können, bezog Slijkhuis sogar eine Wohnung im Mostviertel. Sein Engagement machte sich bezahlt: Die Repositionierung funktioniert trotz aller Nebengeräusche der Coronakrise hervorragend, das Team ist besser aufgestellt denn je zuvor. Mit dem Wissen, dass MGG Polymers einen positiven Weg vor sich hat, freut sich Chris Slijkhuis mit 30. April nun tatsächlich in den Ruhestand treten und die Geschäftsführung vollständig an Günther Höggerl übergeben zu können.
Chris Slijkhuis und Ruhestand – tatsächlich?! Die Wortschöpfung Unruhestand wurde definitiv für einen Menschen wie Chris Slijkhuis erfunden. Keine Frage, er hofft in Zukunft wieder mehr Zeit für seine Familie und Freunde sowie die unzähligen Hobbys wie Klavierspielen, Singen, Kajakfahren und andere Wassersportarten zu finden. Ganz aus dem Recycling-Bereich kann und will er sich jedoch auch nicht zurückziehen. „Ich bin da ein bisschen wie Robin Hood“, sagte er einst in einem persönlichen Gespräch, das sich um die neuen vereinfachten EU-Regelungen zum internationalen Transport von (E-Waste-)Abfällen drehte. „Der Europäischen Kreislaufwirtschaft kann sich nur dann entwickeln, wenn die internationalen Regelungen so gestaltet werden, sodass Abfälle wie Kunststoffe aus E-Altgeräten problemlos zu Recyclern, die sich strikt an gesetzliche Vorgaben halten, transportiert werden können. Heute kann es Jahre dauern, bis Firmen wie MGG Polymers Rohstoffe importieren können – dieser Umstand ist vergleichbar mit dem querliegenden Containerschiff im Suezkanal. Eine Kreislaufwirtschaft, wo ein Produkt nach seinem Lebensende wiederverwertet wird, kann sich so nicht entwickeln. Es sollte aber klappen – alleine schon für die kommenden Generationen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen!“ Ein Weltbürger denkt eben über Landesgrenzen hinaus.
So darf man gespannt sein, welche Kapitel Chris Slijkhuis seiner Lebensgeschichte noch hinzufügen wird. Der Sohn eines Gärtners aus Boskoop, der einst auszog, um in der Welt sein Glück zu suchen, hat sie mit seinem Engagement für die Recycling-Branche definitiv ein Stück weit besser gemacht. Die Müller-Guttenbrunn Gruppe sagt danke dafür und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg und Gesundheit auf seinem weiteren Lebensweg.