In den letzten Jahrzehnten verfolgte man das Ziel, illegalem Abfall-Export das Handwerk zu legen. Die dazu getroffenen Regelungen erschweren jedoch in der Praxis die angepeilte Kreislaufwirtschaft über Grenzen hinweg mit Sekundärrohstoffen zu versorgen. Daher hat die Müller-Guttenbrunn Gruppe einen Vorschlag erarbeitet, um Recycling im vereinten Europa einfacher und schneller zu machen.
Als europäische Staaten in den 1980er-Jahren die Umweltschutzauflagen verschärften, wurde Abfall einfach in Entwicklungsländern – zumeist in Afrika – billig entsorgt. Traurige Berühmtheit erlangte dabei etwa die Irrfahrt der „Zanoobia“. Der Frachter gondelte 15 Monate mit über 2.000 Tonnen Giftstoffen aus Italien über die Weltmeere, ehe seine giftige Fracht wieder in einem italienischen Hafen entladen wurde. Mit der Basler Konvention, einem internationalen Abkommen, das 1992 in Kraft trat, sollte diesen Praktiken ein Riegel vorgeschoben werden.
Der Export von gefährlichen Abfällen unterliegt seit damals strengen Auflagen und muss notifiziert werden. Das bedeutet, es die Ausfuhr muss von offizieller Stelle genehmigt werden – sowohl im Export- als auch im Importland. Die Krux dabei ist: Heutzutage wird Abfall nicht mehr einfach entsorgt, sondern vielfach recycelt. Für die Recyclingindustrie stellen die Notifizierungspflichten jedoch vielfach eine schier unüberwindbare Hürde dar. So kann es vorkommen, dass die Abwicklung eines Notifizierungsantrages für den Transport einiger Tonnen Shredderrückständen aus bearbeiteten Elektro-Altgeräten aus Deutschland zum Kunststoff-Recycling in Österreich beinahe so lange dauert wie damals die Odyssee der „Zanoobia“.
Vielfalt in der Klassifizierung und Kompetenz-Dschungel
Der Grund liegt zum einen in der unterschiedlichen Klassifizierung von Abfall, die es zu beachten gilt, und zum anderen – wie so oft – im undurchsichtigen Kompetenz-Dschungel. Allein in Deutschland sind 28 unterschiedliche Stellen für die Ausfuhr von Abfallmaterial zuständig! Noch undurchsichtiger kann aber die notwendige Bestimmung der Art des Abfalls werden. Dafür wird das Material nach Codes eingeteilt – doch davon gibt es jede Menge: EU-, Basel-, OECD-Codes und schlussendlich auch nationale Abfall-Codes, die natürlich allesamt unterschiedlich aufgebaut sind. Dadurch wird alleine schon die Einordnung schwierig, können doch zum Beispiel alleine in Elektro-Abfall viele unterschiedliche Stoffe in ganz unterschiedlichen Mengen enthalten sein!
Jede Menge Unterlagen sind notwendig
Die Einordnung der Abfall-Fraktion ist jedoch nur der erste Schritt zur Notifizierung. So müssen eine dreiteilige Dokumentation, zahlreiche Belege und Bestätigungen ausgefüllt und erbracht werden. Das sind oftmals mehr als 100 Seiten an Papier. Dazu können auch noch umfangreiche Zusatzfragen der Behörden abzuarbeiten sein, ehe alles eingereicht werden kann – und dann beginnt das lange Warten. Die zuständige Behörde im Exportland hat 30 Tage Zeit, den Antrag zu bearbeiten. Sollten zusätzliche Fragen auftauchen und der Antrag erneut eingebracht werden, beginnt die Frist von neuem zu laufen. Diese Prozedur folgt ein zweites Mal im Importland. Kein Wunder, dass es Fälle gibt, in denen eine Notifikation über ein Jahr in Anspruch nimmt. Dies alles kostet den Recycling-Unternehmen und den Behörden nicht nur Zeit, sondern jede Menge Geld für den nötigen administrativen Aufwand. Somit wurde aus der guten Absicht der Basler Konvention mittlerweile ein Hemmschuh für die Recycling-Welt.
Der Vorschlag: Fast-Track-Notifizierung
Der Müller-Guttenbrunn Gruppe ist ein großes Anliegen, die Verfahren für verantwortungsbewusste Recycling-Unternehmen in der EU zu vereinfachen. Aus diesem Grund hat man ein Konzept zur „Fast-Track-Notifizierung“ erarbeitet. Dazu müssten die Unternehmen ihre Werke, die beliefert werden sollen, „vornotifizieren“ lassen. Durch eine Kontrolle wird festgehalten, welche Abfälle in diesen Werken recycelt werden – wodurch auch nur Abfälle mit bestimmten Codes angenommen werden dürfen. Wenn die exportierenden Unternehmen für die entsprechenden Abfallcodes eine Sammel- oder Behandlungsgenehmigung haben und ein vornotifiziertes Werk beliefern, bedarf es keiner umständlichen Bürokratie mehr. Herzstück dieses Ablaufes ist ein elektronischer Datenaustausch aller involvierter Stellen, sodass auch kein zusätzlicher Papierkram mehr anfällt.
Die Wichtigkeit wird erkannt
Dieser Vorschlag findet bereits breite Zustimmung und wird mittlerweile von fünf großen europäischen Abfallverbänden unterstützt. DI Chris Slijkhuis von der Müller-Guttenbrunn Gruppe präsentierte die Idee bereits auf mehreren großen Konferenzen auf europäischer Ebene. „Ich hatte dabei das Gefühl, dass auch die höchsten EU-Beamten erkannt haben, dass dieses Thema wichtig ist“, befand Slijkhuis anschließend. Durch diese Vereinfachung würden auch bei den Behörden Ressourcen frei, die man an anderer Stelle einsetzen könnte. Vor allem würde sie jedoch die Idee der Kreislaufwirtschaft, in der EU als Circular Economy Package beschrieben, über Grenzen hinweg unterstützen und die Produktion von Sekundär-Rohstoffen maßgeblich erleichtern.