Interview mit Mag. Ing. Christian Müller-Guttenbrunn – CEO der Müller-Guttenbrunn Gruppe:
Redakteur: Dies ist der erste MGG-Newsletter. Warum wurde diese Initiative ins Leben gerufen?
CMG: Weil wir die Kommunikation mit unseren Partnern, Lieferanten und Kunden intensivieren wollen. Wir leben in einer Kommunikationsgesellschaft, in der es immer herausfordernder wird, die wichtigen Inhalte qualitativ für sich persönlich herauszufiltern. Was ist wichtig für mich? Was interessiert mich wirklich? Und genau da bieten wir künftig vier Mal im Jahr verdichtete Brancheninformation für unsere Geschäftspartner. Zusätzlich entwickeln wir übrigens auch ein gedrucktes Magazin, denn es gibt nach wie vor sehr viele Menschen, denen „Papier in der Hand“ einfach viel sympathischer ist als elektronische Information.
Redakteur: Dann gehen wir gleich in medias res und sprechen über die aktuelle Lage der Abfallwirtschaft. Was sind die derzeitigen Herausforderungen der Branche?
CMG: Nun, da hat sich in den letzten Monaten nicht sehr viel verändert. Die größte Herausforderung ist nach wie vor, dass uns das Vormaterial auf der Straße in Richtung Osten verschwindet – egal ob es Alt-PKWs sind oder Elektronik-Schrott. Es gibt einfach zu viele illegale Sammler, Händler, einfach schwarze Schafe, die mit dem Material, das wir gerne wieder zu wertvollen Rohstoffen verarbeiten würden, über die Grenze verschwinden. So werden zum Beispiel im Schnitt in Österreich rund 250.000 Autos pro Jahr aus dem Verkehr gezogen. Bei den heimischen Schredder-Betrieben kommen in Summe aber keine 70.000 an. Der Rest verschwindet und das sind natürlich Mengen, die uns in unserer Produktion abgehen. Und mit dem Elektronik-Schrott ist es ähnlich. Immer wieder sieht man Fotos oder liest man Zeitungsmeldungen, dass Container mit für uns so wertvollem Recyclingmaterial in irgendwelchen Häfen gefunden worden sind.
Redakteur: Und was kann man dagegen tun?
CMG: Wir können es leider nicht verhindern. Es ist auch allgemein gesehen eine sehr schwierige Kontrollaufgabe. Das geben wir auch zu, weil man ja niemandem vorschreiben kann, was er mit seinem Auto, das er vor 10 Jahren teuer gekauft hat, letztendlich tut. Die Frage ist, wo man die Grenze zieht: Was ist Schrott? Und welches Auto kann in einem anderen Land noch weiterverwendet werden? Denn fahrtüchtige Autos darf man natürlich über die Grenze transportieren, Schrott allerdings nicht. Es gibt dafür auch eine klare Regelung: Autos, deren Instandhaltung teurer ist als deren Tageswert, dürfen nicht mehr exportiert werden. Das klingt ja ganz gut. Nur, wie soll man das exekutieren? Nehmen wir den Polizisten, der am Samstagabend einen dieser ominösen weißen Kastenwägen mit Anhänger aufhält. Der Beamte kann unmöglich feststellen, ob das geladene alte Auto Schrott ist oder noch fahrtüchtig. Der müsste jedes Mal einen Sachverständigen anfordern, damit dieser feststellt, ob der alte PKW nun exportiert werden darf, oder eben nicht. Ich habe da vollstes Verständnis für die Polizisten, dass das Frustpotential da sehr hoch ist.
Redakteur: Gibt es dafür irgendwelche Lösungsansätze?
CMG: Es ist eine komplexe Geschichte. Es wurden deshalb bereits auch Unmengen an Gesetzestexten geschrieben. Diese Gesetze sind eigentlich logisch und klar, nur die Exekution funktioniert in der Praxis einfach nicht. Und da stellt sich dann die Frage: Was kann man tun? In Österreich wird natürlich schon daran gearbeitet, um diese Dinge auch praxisnah zu regeln. Es gibt schon Gespräche mit den Ministerien, es gibt eine Arbeitsgruppe „Stopp illegale Abfallexporte“ die in Teilbereiche wie Autos oder Elektronikschrott aufgeteilt agiert. Und an diesen Diskussionen beteiligt sich Müller-Guttenbrunn natürlich auch. Aber es ist eben eine sehr komplexe Materie.
Redakteur: Noch dazu, weil diese Thematik ja ein EU-weites Thema ist. Im Prinzip haben wir den freien Warenverkehr, der betrifft aber nicht den Abfall?
CMG: Der freie Warenverkehr ist im Abfallbereich natürlich nicht gegeben, und nicht ganz zu Unrecht, weil in unserer Branche auch schon einiges passiert ist. Deshalb plädiere ich für eine Art „Gütesiegel“ von behördlicher Seite. In Wahrheit bräuchten wir für die Autos zwei Pickerl: Das weiße Pickerl, das belegt, dass das Auto noch fahrtauglich ist und zum Beispiel ein grünes Pickerl für Autos, das belegt, dass die Reparaturkosten billiger sind als der Tageswert des Fahrzeuges. Das müsste man im Zuge der normalen Überprüfungen einführen.
Redakteur: Und damit würde die Arbeit der Exekutive auch erleichtert…
CMG: Der Polizist müsste bei einer Anhaltung nur mehr auf die Pickerl schauen: Wenn das Auto ein weißes Pickerl hat, ist es fahrtauglich. Wenn es das grüne Pickerl hat, ist es noch so wertvoll, dass man es reparieren kann. Und wenn es gar kein Pickerl mehr hat, ist es Abfall. Muss also richtig entsorgt werden und darf nicht über die Grenze transportiert werden.
Redakteur: Wer sollte dieses grüne Pickerl zahlen? Der Autobesitzer?
CMG: Letztendlich würde das am Fahrzeugbesitzer hängen bleiben. Das wäre aber auch in seinem Interesse, denn somit kann er das Fahrzeug wertiger verkaufen.
Redakteur: Ist so eine Idee EU-weit denkbar?
CMG: Das kann man sicher in Europa andiskutieren. Die Deutschen und die Franzosen haben nämlich dieselben Probleme wie wir. Bei denen verschwinden auch die Autos über die Grenzen. Das Interesse müsste also auch dort vorhanden sein! Es ist fast in allen Ländern so, dass die Rücklaufquote zu Schreddern nur bei rund 30 Prozent vom tatsächlichen Abfall liegt. Der einzige Unterschied ist, dass der spanische Abfall nach Afrika geht und nicht nach Bulgarien. Die Problematik ist in ganz Europa gleich. So ein Recycling-Pickerl wäre eine gute Idee…noch besser wäre natürlich ein Anreizsystem….