Danny Steriti leitet seit 2001 die Geschicke der Müller-Guttenbrunn Handel GmbH (MGG Trade) in der Schweiz – doch auch im Troubleshooting kennt er sich mittlerweile bestens aus. In einem ausführlichen Interview verrät der 56-Jährige aus dem Rheintal, unter anderem warum er den Beruf des Schaufensterdekorateurs gegen die Arbeit in der Müller-Guttenbrunn Gruppe eingetauscht hat. Ebenso schildert er spannende Abenteuer, seine etwas andere Sicht der Dinge und welche Chancen er in der Krise sieht.
Herr Steriti, Sie sind nun seit fast 30 Jahren bei Müller-Guttenbrunn tätig. Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen?
DANNY STERITI: Ja, genau am 1. August 1992 bin ich zur Müller-Guttenbrunn Gruppe gestoßen. Dabei passte ich ja gar nicht in die Branche, denn ich bin gelernter Dekorationsgestalter – also Schaufensterdekorateur. Der Beruf ist jedoch äußerst schlecht bezahlt, so habe ich mich in der Kaufhaus-Gruppe, in der ich meine Lehre gemacht habe, in den Bereichen Verkauf und Personalmanagement weitergebildet. Dadurch wurde ich mit 22 Jahren Teamleiter und bin bis zum Vizegeschäftsführer eines Unternehmens mit 120 Leuten aufgestiegen. Mit 24 wurde ich als Vizepräsident in den Mitarbeiterrat des Jelmoli-Konzerns gewählt und war somit das Sprachrohr für 4.200 Angestellte schweizweit gegenüber der Konzernleitung. Monatlich hat man sich dann mit der Konzernleitung getroffen und ein bis zwei Tage über Mitarbeiteranliegen diskutiert. Mit den Jahren konnte ich mich nicht mehr mit der Konzernpersonalpolitik identifizieren, weshalb ich mich unbedingt verändern wollte. Des Weiteren muss man sagen, dass ich vielsprachig bin – alleine schon weil mein Vater aus Süditalien und meine Mutter aus Kärnten stammten und ich in der Schweiz aufgewachsen bin. Daher wollte ich mich beruflich so orientieren, dass ich diese Fähigkeiten anwenden kann. Zufällig wurde ich von einer Angestellten der Metfer in Liechtenstein – einer der Firmen der Müller-Guttenbrunn Gruppe – angesprochen, ob ich nicht gerne ihren Job übernehmen möchte.
Und das hat auf Anhieb für Sie gepasst?
STERITI: Für mich schon – aber für den damaligen Metfer-Geschäftsführer war ich überqualifiziert. Ich wollte diesen Job jedoch unbedingt und wir sind uns zum Glück doch noch einig geworden. Allerdings war der Einstieg alles andere als ideal, denn nur wenige Tage nach Dienstantritt habe ich mir beim Fußballspielen die Achillessehne gerissen. Es war mir total unangenehm, meinen Chef anzurufen und ihm mitzuteilen, dass ich im Krankenhaus liege. Ich wollte so schnell wie möglich wieder an meinen Arbeitsplatz – was ich auch gemacht habe. Das war alles andere als gut für meinen Fuß, aber ich hatte einfach ein schlechtes Gewissen. Heute wäre das mit Laptop und Smartphone wesentlich einfacher und man könnte von zuhause oder dem Krankenhaus aus arbeiten. Damals mit dem vielen Papierkram und den sperrigen Schreibapparaten natürlich undenkbar!
Was haben Sie zu Beginn überhaupt dort gemacht?
STERITI: Am Anfang war ich verantwortlich für das Büro, dann habe ich in den Außendienst hineingeschnuppert und begonnen Schrott zu kaufen. Damals haben wir noch Schiffe in Afrika mit Schrott beladen und diese in Spanien oder Italien entladen. Wir hatten sogar einen kleinen Hafen in Stettin in Polen. Das war eine spannende Zeit – aber irgendwann war es nicht mehr rentabel, Schrott von Nordafrika über Spanien nach Europa zu bringen. So hat sich auch die Müller-Guttenbrunn Gruppe immer mehr in den Osten entwickelt und neue Niederlassungen gegründet.
Am Aufbau einiger dieser neuen Niederlassungen hatten Sie ja maßgeblichen Anteil…
STERITI: Das stimmt. Im Jahre 1995 haben wir begonnen die ersten Schrottpartien aus Rumänien zu exportieren. Auf Anraten des vormaligen Geschäftsführers wurde im Jahr 2000 die erste Niederlassung in Timisoara gegründet. Nachdem ich die Geschäftsführung bei der Metfer übernommen habe, wurde das Rumäniengeschäft weiter ausgebaut. Im Jahre 2004 haben wir eine gleichnamige Tochtergesellschaft in Arad gegründet. Im 2-Jahres-Rhythmus wurden dann Gesellschaften dazugekauft. Allerdings hat nicht alles mit den rumänischen Partnern reibungslos funktioniert und es musste reorganisiert werden. Ich durfte in Zusammenarbeit mit Michael Kimmeswenger das Troubleshooting übernehmen und aufräumen, so gut es auch immer geht. So bin ich immer mehr weg vom eigentlichen Handel gekommen und kümmere mich immer wieder um Dinge, die man zurechtbiegen sollte. Dies ist nicht immer einfach, handelt es sich meist um Missmanagement aus früheren Zeiten! Natürlich heißt das auch, dass ich oft unterwegs bin – vor der Corona-Pandemie war ich bis zu 80 Prozent meiner Arbeitszeit im Ausland. Jetzt aufgrund von COVID19 hat sich das Ganze ein wenig mehr auf Videokonferenzen verlegt.
Bei diesen Spezialaufgaben kommen Ihnen neben den vielen erlernten Sprachen bestimmt auch die Fähigkeiten aus dem Personalmanagement zugute – oder?
STERITI: Definitiv, denn es geht immer um den Menschen – und jede Person und Kultur ist anders, beides ist interessant. Menschen zu managen, ist eine der größten Herausforderungen im Leben. Jeder kann Top-Fähigkeiten haben, auch wenn man bei manchen nicht das Gefühl hat, dass dem so ist. Menschen sind das wichtigste Kapital in einem Unternehmen. Man wird natürlich immer wieder auch Enttäuschungen erleben, weil man nicht in jeden Menschen hineinsehen kann und manche ein falsches Spiel treiben oder manipulieren. Dann braucht es Mut, um schmerzhafte Entscheidungen zu treffen.
Werden Sie oft menschlich enttäuscht?
STERITI: Es kommt immer wieder vor – und davor ist man nie gewappnet. Dennoch sollte man immer offen sein – genauso wie für neue Kulturen. Ich hatte in all den Ländern – egal, ob England, Italien, Spanien, im ehemaligen Ostblock oder in Afrika – immer auch Kontakt zu Familien. Da erkennt man, wie die Menschen „funktionieren“, wie sie ticken. Westafrika war ohnehin eine ganz besondere Grenzerfahrung.
Wieso das?
STERITI: Wir haben damals in Guinea versucht, bei der Verschrottung von alten Bauxitminen ins Geschäft zu kommen. Das war nicht nur kulturell und logistisch eine Herausforderung, denn das Land stand ständig am Rand einer Revolution. Jedenfalls mussten wir dann Hals über Kopf flüchten, weil es über Nacht zum Putsch kam und die Militärs die Macht übernahmen. Wir mussten das Land fluchtartig verlassen, Gewehrsalven und Granatendetonationen im Hintergrund begleiteten uns dabei! Die letzten Container mit Schrott haben wir erst Monate später durch gute Beziehungen aus dem Land gebracht. Eine spannende Geschichte, geschäftlich aber war das ein Fiasko – doch auch daraus lernt man.
Sie sehen also auch in der Niederlage das Positive. Würden Sie sich als Optimisten bezeichnen?
STERITI: Ich war und bin ein Optimist – auch jetzt in der Situation mit Corona. Man muss sich immer vor Augen halten: Selbst dort, wo es stark regnet, wird irgendwann wieder die Sonne scheinen. Klar, die aktuelle Krise werden wir nicht so schnell überwinden können wie 2009 die Weltfinanzkrise. Dennoch muss man eine Krise auch stets als Chance begreifen. Betrachten wir zum Beispiel die Automobilindustrie: Da ist jahrelang wenig bis nichts passiert, auch nach dem Dieselgate! Mit Corona steht man vor dem Abgrund und plötzlich schütteln alle Autobauer E-Mobilitäts-Projekte aus dem Ärmel. Manchmal braucht es diesen Anstoß, um Menschen aus der Lethargie zu holen. Es ist absolut menschlich, dass man bequem wird, solange es einigermaßen gut läuft – selbst wenn das herannahende Problem längst am Horizont auszumachen ist. Oft gibt erst eine existenzielle Krise den Anstoß, sich weiterzuentwickeln oder etwas zu ändern. Für uns als Müller-Guttenbrunn Gruppe ist das natürlich ebenso eine Herausforderung, denn als Produzent von Sekundärrohstoffen sind wir von den Problemen in der Industrie direkt betroffen. Ich bin jedoch überzeugt von unserem Unternehmen und freue mich darauf, die neuen Herausforderungen zu bewältigen. Sie sind Teil unseres Lebens. Wir müssen Herausforderungen annehmen, den ersten Schritt machen und dann loslaufen.
Aus Ihren Aussagen kann man schließen, dass Sie gerne das große Ganze betrachten – oder täuscht dieser Eindruck?
STERITI: Ich denke schon. Als Dekorationsgestalter lernt man dreidimensional und in Perspektiven zu denken. So geht man gerne anders auf Herausforderungen und Chancen zu. Jede Entscheidung kann man dreidimensional betrachten, die persönliche Seite, die der Gegenseite und die sachliche. Dieses dreidimensionale Denken hat mir im Leben oft geholfen – etwa um Risiken zu eliminieren. Das heißt nicht, dass mir keine Fehler passieren! Wie vorhin schon erwähnt, geht auch bei mir manches schief. Man fällt, um Aufstehen zu lernen.
Das dreidimensionale Denken hilft Ihnen bestimmt auch in Ihrer jetzigen Position als Geschäftsführer von MGG Trade. Darüber haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen! Was gibt es über das Unternehmen zu berichten?
STERITI: Wir vermarkten zum Teil die Sekundärrohstoffe von einzelnen MGG-Tochterunternehmen am internationalen Markt. Unser Hauptabnehmer ist dabei Italien. Gewisse Mischprodukte verschiffen wir auch nach Indien.
Die vorhin bereits angesprochene Corona-Pandemie hat für viele Menschen die Arbeitswelt verändert. Gilt das auch für MGG Trade?
STERITI: Hier hat mir das dreidimensionale Denken geholfen, denn wir haben bereits vor drei Jahren auf die Digitalisierung gesetzt und virtuelle Arbeitsplätze eingerichtet. So sind wir nicht mehr von der Örtlichkeit des Büros abhängig, sondern können überall arbeiten. Daher war der Lockdown für uns arbeitstechnisch kein großes Problem.
Das heißt, Sie fahren derzeit nicht ins Büro?
STERITI: Doch, doch – ich habe das Privileg, auch mit dem Fahrrad in unser Büro in meinem Heimatort Buchs fahren zu können. Da momentan unsere Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, heißt es für mich, viele Bereiche abzudecken. Daher mache ich aktuell viele Arbeiten, die ich sonst nicht mache. So bin ich derzeit auch wieder für den Telefondienst eingeteilt.
Wie steht es mit den Auslandsreisen, die sie vorhin angesprochen haben?
STERITI: Die haben sich natürlich drastisch reduziert. Meine Reisen habe ich in der Zeit vor Corona immer einen Monat im Voraus geplant. Die Planung und Buchung mache ich gerne selbst, damit ich mir eine gewisse Flexibilität schaffe. So kann ich im entscheidenden Moment selbst ein Hotelzimmer oder einen Flug umbuchen. Das macht vieles einfacher. Da die Reisen wie gesagt eingeschränkt sind, tausche ich mich jetzt mit vielen Leuten über Videocalls aus. Selbst mit unserem Schweizer Team kommuniziere ich zum Teil über Face Time. Corona wird noch so manches vorantreiben – vieles wird dynamischer und digitaler werden. Ganz generell gilt ja: Wenn ich mich physisch bewegen muss, werde ich immer langsamer sein als eine Nachricht per E-Mail oder der Austausch via Videochat. Corona wird womöglich nicht der letzte Virus sein, der uns Menschen ärgern wird. Da wir jedoch nicht in einem permanenten Lockdown-Zustand leben wollen, werden wir über kurz oder lang unsere Lebensweise anpassen müssen. Noch sind wir in einer Findungsphase, denn so richtig weiß niemand, wo die Reise hingeht. Wir dürfen nur keine Angst haben, denn Angst blockiert. Wir müssen die nötigen Schritte von selbst anstoßen, um den Weg gestalten zu können. Wenn wir nicht schnell genug sind, wird uns jemand anstoßen und dann müssen wir den eingeschlagenen Weg mitgehen. Wie der endgültige Weg aussehen wird, kann ich nicht sagen, nur, es ist ermüdend, aber spannend zugleich.
Vielleicht können Sie uns dafür etwas über die Zukunft am Markt für Sekundärrohstoffe, auf dem Sie tätig sind, verraten?
STERITI: Wie wir alle wissen, schottet sich China immer mehr ab, überschüttet aber weiterhin die Welt mit billigen Produkten. Im Schatten von China entwickeln sich auch andere asiatische Länder immer weiter. Dabei darf nicht übersehen werden, dass wir gewisse Produkte und Stoffe nicht recyceln können. Die Abfallverwertung auf eine völlig saubere Art und Weise sollte jedoch in Zukunft ein Grundgedanke werden. Hier war es ja lange Zeit so, dass wir den einfachen Weg gewählt haben und Abfälle nach Asien und Afrika verschifft haben, was apropos heute noch zum Teil stattfindet. Das fällt uns jetzt auf den Kopf. Hier muss Europa Vorreiter sein – gerade weil bei uns so viele Menschen auf einem relativ kleinen Fleckchen Erde beisammen wohnen. Womöglich machen wir uns daher auch am meisten Gedanken darüber – und ich bin sicher, dass die Müller-Guttenbrunn Gruppe einen essenziellen Beitrag dazu leisten wird. Das hat sie bisher schon mit der Pkw-Verschrottung und dem Recycling von Elektroabfällen bewiesen.
Stichwort Müller-Guttenbrunn Gruppe – dazu noch eine Abschlussfrage: Sie arbeiten seit 28 Jahren im Konzern, sind viel herumgekommen und haben viel gesehen. Was macht MGG aus Ihrer Sicht besonders?
STERITI: Viele Unternehmen behaupten es, doch bei Müller-Guttenbrunn steht der Mensch wirklich im Mittelpunkt. Das Unternehmen ist sehr sozial – das habe ich selbst erfahren, als ich 1998 mit Krebs zu kämpfen hatte. Das habe ich auch während und nach der Finanzkrise erlebt, als man niemand entlassen hat. Da merkt man, dass man tatsächlich an den Leuten und ihrem Know-how festhält. Ich habe das in einem Großkonzern ganz anders erlebt, wo man tatsächlich nur eine Nummer ist. Hier ist es zum Glück nicht so. Ich habe Höhen und Tiefen mit der Familie Müller-Guttenbrunn erlebt. Es ist unglaublich, wie sich MGG entwickelt hat. Für mich ist es immer eine Freude, wenn ich die blau-grünen Lkws von den MGG-Unternehmen irgendwo auf der Autobahn erblicke. Da erfasst mich jedes Mal ein kleinwenig der Patriotismus, denn ich bin stolz, ein kleiner Teil davon zu sein. Es hat schon seinen Grund, warum ich 28 Jahre hier tätig bin. Ich fühle mich wohl und wünsche mir, dass dies weiterhin so bleiben möge.
Herr Steriti, möge Ihr Wunsch in Erfüllung gehen. Vielen Dank jedenfalls für das spannende Gespräch und die interessanten Einblicke!