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November 13, 2018

József Máthé war eine der treibenden Kräfte, als Müller-Guttenbrunn vor über einem Vierteljahrhundert in Ungarn Fuß fasste. Als erster Geschäftsführer der Mü-Gu Kft. ging er bis an sein Limit. In einem ausführlichen Interview spricht der heute 71-Jährige über Zufälle, löchrige Gesetze, geteilte Grundstücke und den heutigen Erfolg des Unternehmens.

Herr Máthé, vor über 25 Jahren hat das ungarische MGG-Tochterunternehmen Mü-Gu Kft. in Budapest seinen Betrieb aufgenommen. Sie waren damals der erste Geschäftsführer. Wie waren die Anfänge?

József Máthé: Die Geschichte von Mü-Gu Kft. beginnt ja bereits 1989. Der Eiserne Vorhang war gerade erst einmal gefallen, als Herbert Müller-Guttenbrunn das Unternehmen gegründet hat. Allerdings bestand es nur auf dem Papier – nicht einmal ein Betriebsgelände gab es. Meine erste Aufgabe war daher, ein solches zu suchen, was sich nach der Wende in Ungarn gar nicht einfach gestaltete. Am Ende haben wir dann das heutige Areal – eine ehemalige Schlackenhalde einer Gießerei – gefunden und gekauft. Im Sommer 1991 haben wir begonnen, die nötige Infrastruktur zu errichten. Am Ende des Jahres musste ich auch noch eine Belegschaft zusammenstellen, ehe wir im Februar 1992 mit 22 Mitarbeitern loslegen konnten.

Wie sind Sie selbst überhaupt an Bord dieses doch sehr kühnen Projektes gekommen?

Máthé: Das ist eine lange Geschichte – am Ende war es jedoch Zufall. Herbert Müller-Guttenbrunn war in den 1980er-Jahren öfters nach Ungarn gereist, um Schrott zu kaufen. Dabei hatte er bei der Abwicklung des Öfteren mit Livia Herold zu tun. Nun muss man wissen, dass sie die Gattin von meinem damaligen Arbeitskollegen war. Als Müller-Guttenbrunn das Unternehmen gegründet hat, hat er sie gefragt, ob sie nicht jemand für den Job des Geschäftsführers wüsste. Sie dürfte mich wohl empfohlen haben.

Sie hatten ja perfekte Voraussetzungen: Sie haben als Konstrukteur in einem Ingenieursbüro gearbeitet und konnten Deutsch. Wie haben sie unsere Sprache gelernt?

Máthé: Den ersten Kontakt zur deutschen Sprache hatte ich in der Schule. Von 1970 bis 72 habe ich zudem in der DDR, genauer gesagt in Dresden, in einem Druckmaschinenwerk gearbeitet. Danach habe ich neben meinem Job im Ingenieursbüro am Abend immer Übersetzungen angefertigt. Ich habe zwar viele Wörter nicht gekannt, aber mit dem Wörterbuch habe ich mir diese dann alle herausgesucht und nach und nach gelernt. In Österreich war ich schließlich ebenfalls vier Jahre lang. Für unser Büro habe ich in Linz bei der VOEST gearbeitet, wo wir ein schlüsselfertiges Stahlwerk, das in Russland gebaut wurde, entwickelt haben.

In dieser Zeit waren Sie ja auch bereits einmal bei der damaligen Mü-Gu Schrottverwertung, der heutigen MGG Metrec, in Amstetten zu Gast. Stimmt das?

Máthé: Genau. Wir haben uns verschiedene Schrottplätze angeschaut, damit wir einen solchen für das Stahlwerk optimal mitplanen konnten. So waren wir auch einmal einen halben Tag bei Mü-Gu. Ich habe mich wieder daran erinnert, als ich im Februar 1990 auf Einladung von Herbert Müller-Guttenbrunn nach Amstetten gekommen bin.

Da sind Sie jedoch anschließend länger geblieben…

Máthé: Das stimmt. Während ich zwischendurch immer wieder nach einem passenden Areal in Ungarn Ausschau gehalten habe, hat mir Müller-Guttenbrunn angeboten, ich solle mir doch ein Jahr lang alles anschauen. Das war auch wichtig, denn für mich war es ja wirklich eine der weitreichendsten Entscheidungen in meinem Leben: Davor habe ich 23 Jahre lang Pläne gezeichnet – nun hieß es vom Reißbrett auf den Schrottplatz.

Schrottplatz ist ein gutes Stichwort. Wie hat sich die Arbeit am Schrottplatz der Mü-Gu Kft. Anfang der 1990er gestaltet?

Máthé: Wir haben mit einer alten Schrottschere aus Amstetten und einer kleinen Mühle mit der Produktion begonnen. Wir haben relativ rasch Bekanntheit erlangt. In den frühen 90-er Jahren haben wir gute Ergebnisse erreicht. Einerseits bei den kleinen Schrotthändlern, für die wir Schrott in unserem Namen ins Ausland exportiert haben – keine ganz einfache Angelegenheit damals. Andererseits aufgrund der Tatsache, dass wir die Demontage der alten 2-Takt-Pkws – also zum Beispiel Trabi und Wartburg – nach einer Ausschreibung übernommen haben. Es waren zwar nur zwei- bis dreitausend Autos, die pro Jahr fachgerecht verschrottet wurden, aber die Zeitungen haben darüber berichtet.

Genau in dieser Zeit gab es auch gleich einmal einen großen Brand…

Máthé: Ja, leider ist unsere kleine Mühle 1994 eines Samstagnachts abgebrannt. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass ein glühendes Teil alles schön langsam entzündet hat. Wir waren zwar versichert, aber es gab dennoch einen erheblichen Ausfall. Die Mühle wurde schließlich einige Jahre später von einem großen Schredder abgelöst. Welche Veränderungen hat das mit sich gebracht?

Máthé: Der Schredder wurde im September 1998 in Betrieb genommen. Damals dachten wir, durch die größere Anlage könnten wir genauso wie in Amstetten wirtschaftlicher arbeiten. Allerdings konnte man den ungarischen nicht mit dem österreichischen Markt vergleichen. Die Stahlwerke in Ungarn haben damals noch den zu Paketen zusammengepressten Schrott übernommen. So konnten die Händler auch viel Abfall mitverkaufen, während wir alles getrennt haben. Dadurch waren für uns die Einkaufspreise für das Shreddervormaterial viel zu hoch.

Das heißt, man hatte wirtschaftliche Probleme?

Máthé: Ja, wir haben dann tiefrote Zahlen geschrieben. Dafür gab es neben den hohen Einkaufspreisen noch weitere Gründe. Einer davon war die blühende Korruption. Daran konnten und wollten wir uns als Tochterunternehmen eines ausländischen Betriebs nicht beteiligen. Das bedeutete allerdings einen klaren Nachteil am Markt, etwa bei Ausschreibungen. Ein weiterer ganz entscheidender Punkt waren die löchrigen Gesetze, die uns schließlich Millionen an nicht rückerstatteter Mehrwertsteuer gekostet haben.

Wie war denn das möglich?

Máthé: Der Grund war, dass damals den Lieferanten noch der gesamte Preis samt Mehrwertsteuer ausbezahlt wurde. Viele der Firmen, die damals am Markt tätig waren, verschwanden jedoch nach wenigen Monaten von der Bildfläche, ohne die Mehrwertsteuer an das Finanzamt bezahlt zu haben. Uns wurde daher der Abzug der Mehrwertsteuer nicht gestattet, weil wir das laut Finanzamt besser hätten kontrollieren müssen. Wir haben 16 Jahre lang vor dem Gericht um dieses Geld gekämpft, jedoch haben wir den Prozess verloren. Hier muss man wirklich sagen, dass die Müller-Guttenbrunn Gruppe sehr viel Geduld bewiesen hat. Andere hätten bestimmt das Handtuch geworfen. Herbert Müller-Guttenbrunn hat damals schon prophezeit: Es wird einige Jahre dauern, bis sich alles regelt – und zum Glück hat es das dann auch. Mittlerweile gibt es ein neues Mehrwertsteuergesetz, sodass die Mehrwertsteuer nicht mehr ausbezahlt, sondern nur noch als Gutschrift ausgestellt wird. Dazu ist vor fünf Jahren ein neues Metallgesetz in Ungarn in Kraft getreten, sodass sich jetzt alle Unternehmen, die mit Metallen und Schrott handeln, registrieren müssen. So kann es nicht mehr passieren, dass die Firmen plötzlich verschwinden.

Streitigkeiten standen also an der Tagesordnung?

Máthé: Ja, es gab immer wieder Probleme. So etwa nach der Errichtung des Schredders, als wir plötzlich nicht mehr wussten, wo wir die Abfälle aus dem Schredder entsorgen sollen. Man muss wissen, dass es damals noch kaum sichere Deponien in Ungarn gab. So haben wir keine Deponie gefunden und die Zeitungen haben bereits geschrieben, dass wir gefährliche Abfälle auf die Deponien liefern. Das war dann ein Kampf mit dem Umweltschutzministerium. So mussten wir rund 3.000 bis 4.000 Tonnen Abfall auf unserem eigenen Gelände zwischenlagern. Zum Glück haben dann vor allem viele ausländische Unternehmen investiert und sichere Deponien errichtet, sodass wir unsere Abfälle fachgerecht entsorgen konnten.

Das heißt, Sie hatten immer mit außergewöhnlichen Herausforderungen als Geschäftsführer zu kämpfen?

Máthé: Definitiv öfter, als mir lieb war. Eine andere Anekdote beschäftigte unser Unternehmen zum Beispiel ganze 14 Jahre lang. Dabei ging es um unser Grundstück, das wir von der Gießerei erworben haben. Ein Teil davon gehörte nämlich eigentlich zu einem anderen Grundstück. Als die Gießerei in die Pleite gerutscht ist, war der Masseverwalter spitzfindig und wir mussten die besagten 14 Jahre lang warten, ehe alles geklärt wurde. Da das zweite Grundstück dann veräußert wurde, gab es plötzlich sechs verschiedene Teilbesitzer dieses einen Grundstücks, das unter einer Grundstücksnummer im Grundbuch eingetragen war. Konkret hieß dies für uns, dass wir für jede Genehmigung die Zustimmung aller anderen fünf Grundstückseigentümer einholen mussten. 2013 ist zum Beispiel unsere Umweltschutzgenehmigung ausgelaufen. Vier Nachbarn haben für die neue Genehmigung bereits unterschrieben, ein Nachbar wollte jedoch partout nicht unterschreiben. Zum Glück ist es uns dann endlich gelungen, eine eigene Grundstücksnummer beim Grundbuchamt zu erwirken. Dadurch werden die Nachbarn natürlich bei den Genehmigungsverfahren angehört, aber wir benötigen keine Unterschrift mehr, die man so einfach verweigern kann.

Das war bestimmt keine einfache Situation…

Máthé: Das war es schon vorher nicht. So hatten wir bereits davor Probleme mit dem E-Werk, weil uns der Strom abgestellt wurde. Der Grund: Der Strom kam über ein Trafohaus, das zur Gießerei gehörte, zu uns. Wir haben zwar unseren Strom an die Gießerei bezahlt, diese überwies jedoch kein Geld an den Stromanbieter. So wurde uns allen der Strom abgestellt – das hieß für uns keine Beleuchtung, keine funktionierende Büroeinrichtung und keine laufenden Maschinen! Wir mussten drei Dieselaggregate von der Metran in Kematen nach Budapest bringen. Mit diesen haben wir uns dann selbst knapp ein halbes Jahr lang mit Strom versorgt.

Diese vielen Probleme müssen doch eine ungeheure Belastung für Sie gewesen sein?

Máthé: Das war es auch. 2003 hatte ich dann auch einen Herzinfarkt – bestimmt auch, weil ich bis dahin geraucht habe. Dazu war ich jemand, der seine Probleme nicht beim Verlassen der Firma hinter sich lassen konnte, sondern ich habe sie mit nach Hause geschleppt. Zehn Tage bin ich auf der Intensivstation gelegen – zumindest habe ich danach nie wieder eine Zigarette geraucht. Dafür fahre ich jetzt mehrere Stunden pro Woche am Ergometer. Zum Glück hat mir Herr Müller-Guttenbrunn damals auch einen Spezialisten hier in Österreich vermittelt, sodass ich meine Blutgefäße untersuchen lassen und eine Reha machen konnte. Dafür bin ich bis heute sehr dankbar.

Danach haben Sie ja auch die Geschäftsführung abgegeben…

Máthé: Ja, so war es. Ich wollte und konnte so nicht mehr weitermachen. Das habe ich der Eigentümerfamilie auch gesagt. Neben all den Herausforderungen, die es ständig zu meistern galt, hatte ich vor allem ein Problem: Ich konnte niemanden kündigen, dabei musste ich das leider öfters machen. Das war echt schlimm für mich.

Aber im Unternehmen sind Sie immer noch tätig. Also haben Sie eine andere Stelle übernommen?

Máthé: Damals gab es neben der Mü-Gu Kft. noch die Handelsgesellschaft Metfer, die zur Müller-Guttenbrunn Gruppe gehörte. Die Geschäftsführerin – die bereits einmal erwähnte Livia Herold, ja so schließt sich der Kreis – ist in Pension gegangen. Herbert Müller-Guttenbrunn war großzügig zu mir und hat mir diesen Posten angeboten. Obwohl Metfer ein eigenes Büro hatte, war ich dennoch ständig am Schrottplatz der Mü-Gu Kft.

Mit Ihren 71 Jahren sind Sie mittlerweile bereits längst in Pension. Dennoch sind Sie nach wie vor im Unternehmen aktiv…

Máthé: Ich bin 2007 in Pension gegangen. Seither arbeite ich als freiberuflicher Berater für die Mü-Gu Kft. – allerdings mache ich in Wahrheit alles, was gerade anfällt. Mir macht es hier einfach Spaß. Mit der jungen Mannschaft rund um Nándor Hoffmann ist es in den letzten Jahren wirklich steil bergauf gegangen. Die Geduld der Eigentümer hat sich bezahlt gemacht. Nun läuft es wirklich prächtig und wir können notwendige Investitionen tätigen. So haben wir bereits eine neue Nassentstaubungsanlage in unseren Schredder eingebaut und kommendes Jahr soll auch noch ein neuer Zyklonfilter folgen. Das Bürogebäude soll aufgestockt werden und ich hoffe, dass wir uns bald auch eine neue Schere leisten können. Ganz wichtig für die Mü-Gu Kft. ist auch, dass wir gerade daran arbeiten, in einigen Kilometern Entfernung vom Schrottplatz ein neues Areal als Buntmetallplatz zu erschließen. Man sieht, es tut sich einiges. Diese Entwicklungen freuen mich, nachdem ich von Anfang an dabei war, ganz besonders.

Und Sie haben vor, weiterhin aktiv zu bleiben?

Máthé: Offenbar ist man mit meiner Arbeit zufrieden. Ich wurde von Herrn Kimmeswenger gerade wieder gefragt, ob ich meinen Vertrag für nächstes Jahr verlängern möchte. Zwar muss ich dazu von meiner Frau noch die Genehmigung einholen (lacht), aber ich gehe davon aus, dass dies kein Problem sein wird.

Dann wünschen wir Ihnen bereits für 2019 viel Erfolg und weiterhin so viel Spaß an Ihrer Arbeit!