Wie entsorgt man ein kaputtes Bobbycar richtig? Ein älterer Herr sucht in einem Altstoff-Sammelzentrum den passenden Container dafür. Das Spielzeug – viel Kunststoff, wenig Metall – „passt“ jedoch in keinen der aufgestellten Container für verschiedene Abfälle. Am Ende wandert es aufgrund seiner Zusammensetzung zum Sperrmüll – und somit in die Verbrennungsanlage. MGG-Mitarbeiter Günther Höggerl beobachtet diese Szene und wird stutzig: Geht hier nicht viel wertvolles Recycling-Material verloren? Aus Kinderspielzeug, alten Gartenmöbeln, Duschwänden, Sport- und Freizeitartikeln ließe sich doch jede Menge Kunststoff und Metall zurückgewinnen!
Diese Szene im Spätherbst 2015 bewog die Müller-Guttenbrunn Gruppe (MGG), über Möglichkeiten zur stofflichen Verwertung nachzudenken, um derartige ausgediente Gebrauchsgegenstände aus dem Sperrmüll vor der Verbrennung zu bewahren. Die Hartkunststoffsammlung in der Modellregion Niederösterreich – das „Bobbycar-Projekt“ – war geboren.
Die Herausforderungen: Sammlung und Transport
Eine der ersten großen Hürden zur Realisierung des Projektes stellten die separate Sammlung größerer Mengen an Hartkunststoffen und ein effizienter Transport in die MGG-Werke dar. Die Müller-Guttenbrunn Gruppe etablierte dazu gemeinsam mit Sammelpartnern der Abfallwirtschaft in drei Regionen Niederösterreichs (Amstetten, Scheibbs, Melk) eine getrennte Sammlung. Konkret wurden in einigen ausgewählten Abfallsammelzentren zusätzlich zum Sperrmüllcontainer eigene Container für die Sammlung der Hartkunststoffprodukte mit Metallanteilen aufgestellt. „Die eigentliche Stärke des Projektes liegt darin, dass der so gesammelte kunststoffreiche Abfall auch mit Metallen „verunreinigt“ sein darf. Während Metallanteile in hoch spezialisierten Kunststoffrecyclingfirmen Maschinenschäden hervorrufen können, ist bei Müller-Guttenbrunn das Gegenteil der Fall! Die Zerkleinerung und Abtrennung von Metallen liegt quasi in unserer DNA“, erläutert Günther Höggerl, der das Projekt leitet.
Ebenso erarbeitete man eine Transportlösung in Spezialcontainern. Die Gegenstände – meist von geringem Gewicht, dafür umso größerem Volumen – werden komprimiert. Dadurch werden geringe Transportgewichte weitestgehend vermieden. Ein LKW kann so die fünffache Materialmenge auf einmal anliefern. „Um diese Güter zu sammeln und zu verpressen, brauchen wir die regionalen Abfallwirtschaftsverbände als wichtige Partner. Diese ersparen sich dadurch natürlich auch eine große Menge an Sperrmüll, der nicht verbrannt werden muss“, betont Höggerl die wichtige Zusammenarbeit.
Neue Wege zum Ziel
Innerhalb der Müller-Guttenbrunn Gruppe musste man ebenfalls neue Wege beschreiten. Schon die Zerkleinerung der Hartkunststoffmengen stellte eine Herausforderung dar, denn die bei MGG eingesetzten Shredder für metallreiche Abfälle erwiesen sich zwar als brauchbar, jedoch nicht effizient genug. Aus diesem Grund wurde bei MGG entschieden, in eine spezialisierte mobile Shredderanlage der neuesten Bauart für kunststoffreiche, aber metallarme Abfälle zu investieren.
Nach dem Shreddern erfolgt im Werk von MGG Metran die Abtrennung der Metalle. Der Gesamtgehalt beträgt zwischen ein und fünf Prozent und besteht im Wesentlichen aus Eisen oder Aluminium.
Bei der anschließenden sortenreinen Rückgewinnung der Kunststoffe wagte man sich ebenfalls auf bisher ungewohntes Terrain vor. Während bei MGG Polymers die jahrelange Erfahrung bei der Sortierung von PP, PS und ABS genützt wird, konnte im Nachbarwerk bei MGG Metran erfolgreich ein Verfahren zur Rückgewinnung bisher nicht sortierter Kunststoffe wie Polyethylen (PE) oder Plexiglas (PMMA) aufgesetzt werden. Dies ist insofern von Bedeutung, da die angelieferten Hartkunststoffmengen zu einem hohen Anteil aus Polyethylen (PE) bestehen.
Das Plus für die Umwelt
Zu guter Letzt werden aus den sortenrein getrennten Kunststoffmahlgütern auf den Extrusionsanlagen bei MGG Polymers hochwertige Kunststoffgranulate mit sehr guten Eigenschaften erzeugt. Diese können nun wieder in neuen Kunststoffprodukten verarbeitet werden.
Insgesamt können in der Müller-Guttenbrunn Gruppe mit der Kombination einiger Prozessschritte ca. 80 Prozent des gesamten Materials zurückgewonnen werden. Ein enormes Plus für die Umwelt, ist das Kunststoffrecycling doch um ein Vielfaches ökoeffizienter als die Verbrennung oder die Erzeugung von Kunststoffen aus Primärrohstoffen.
Es geht rasant voran
Das Bobbycar-Projekt gewann in den letzten beiden Jahren bereits mächtig an Fahrt. Begann man 2016 mit der Verarbeitung von 200 Tonnen gesammelter Hartkunststoffmengen, stieg die Menge im Vorjahr bereits auf 500 Tonnen. Für dieses Jahr nennt Günther Höggerl 1.000 Tonnen als konkretes Ziel. Neben dem Pilotprojekt in Niederösterreich konnte man auch das Land Oberösterreich punktuell für das Projekt begeistern. „Unser Ziel muss es sein, die Hartkunststoffe im Sperrmüll in unserer gesamten Umgebung flächendeckend effizient sammeln und recyceln zu können. Immerhin kann durch die Wiederverwertung einer Tonne technischer Kunststoffe der Ausstoß von rund 4,5 Tonnen CO2 eingespart werden!“, ist auch MGG-Geschäftsführer Christian Müller-Guttenbrunn von diesem Zukunftsprojekt überzeugt.
Zahlen und Fakten zum Bobbycar-Projekt
Der Niederösterreichische Abfallwirtschaftsplan 2016 – 2020 sieht als konkretes Ziel vor, Wertstoffe (u.a. Metall und Kunststoff) aus dem Sperrmüll zu gewinnen. Das Bobbycar-Projekt der Müller-Guttenbrunn Gruppe setzt dieses Ziel in die Tat um.
In Österreich fallen pro Jahr 270.000 Tonnen Sperrmüll an. In Niederösterreich sind es jährlich 44 Kilogramm je Einwohner.