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Juni 16, 2020

Dietrich Müller-Guttenbrunn lenkte über mehrere Jahrzehnte hinweg als Geschäftsführer mit seinem Bruder Herbert die Geschicke im Unternehmen. Im ausführlichen Interview spricht der passionierte Golfspieler über die heute undenkbaren Anfänge, die Veränderungen und die aktuelle Lage im Unternehmen. 

Herr Müller-Guttenbrunn, die letzten Wochen und Monate standen weltweit im Zeichen der Corona-Pandemie. Wie haben Sie diese Zeit verbracht?

Dietrich Müller-Guttenbrunn: Ich war kurz davor in Spanien und habe mich, als die Corona-Krise hierzulande ausgebrochen ist, in die freiwillige Selbstquarantäne begeben. Ich hatte genug aufzuarbeiten, daher ist bei mir auch nie Lagerkoller oder ähnliches aufgekommen. Ich finde mir immer etwas zu tun!

Genug zu tun hatten Sie auch in all den Jahren, in denen Sie die Müller-Guttenbrunn Gruppe mitaufgebaut und geprägt haben. Zudem sind Sie ja auch weiterhin im Beirat aktiv. Wie oft informieren Sie sich über das heutige Geschehen im Unternehmen?

Dietrich Müller-Guttenbrunn: Ich bin wöchentlich in der Firma und halte mich ständig am Laufenden. Das Schöne ist: Wir haben da kurze Wege, da funktioniert alles prima. Zudem bespreche ich vieles mit meinem Bruder Herbert. So freut es mich auch, dass das Unternehmen die Corona-Krise bis jetzt ganz gut gemeistert hat.

Sie sind ja etwas später als Ihr Bruder, nämlich 1973, ins Unternehmen eingetreten…

Müller-Guttenbrunn: Ja, der formhalber bin ich 1973 in die Schrotthandelsfirma meines Vaters eingetreten, wo mein Bruder bereits tätig war. Ich habe damals noch mit meiner Mutter in Waidhofen ein Café-Restaurant geführt. So war ich noch zwei Jahre mehrheitlich in der Gastronomie tätig, ehe ich 1975 wirklich in den Schrotthandel gewechselt bin. Natürlich habe ich aber bereits in jungen Jahren während der Ferienzeit in der Firma mithelfen dürfen. Das hat mir durchaus Spaß gemacht.

Sie haben die Aufbaujahre des Unternehmens also wirklich hautnah miterlebt?

Müller-Guttenbrunn: Ja, klar. Wir sind als Kinder mit dem Unternehmen quasi mitgewachsen. Ich kann mich noch erinnern: Wir hatten damals zwei Lagerplätze. Einer war genau gegenüber vom Freibad. Da habe ich dann während der Arbeit in den Ferien immer meine vergnügten Freunde im Bad gesehen. In diesen Momenten habe ich meine Situation mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtet – aber ich bin definitiv nicht zu kurz gekommen. Es war eine schöne Jugendzeit. Wir haben ja im Schloss oberhalb vom Bad gewohnt – dort hatten wir eine große Spielwiese.

War diese Spielwiese nicht ziemlich gefährlich?

Müller-Guttenbrunn: Ja, heute wäre das unvorstellbar. Man muss ja wissen, dass im damaligen Schlosspark viele Kriegsrelikte zu finden waren. Uns war das gar nicht bewusst, wie gefährlich das eigentlich war. Heute würde man das Kindern nie und nimmer erlauben, aber damals war das allgegenwärtig und vermutlich war man deshalb einfach abgebrühter.

Hat es da auch Unfälle gegeben?

Müller-Guttenbrunn: Ja, leider haben wir da schwerwiegende Unfälle erlebt. So ist einmal ein Mitarbeiter durch eine Granatenexplosion erblindet. Da muss man echt von Glück sprechen, dass derart gefährliche Dinge nicht mehr am Schrottplatz vorhanden sind. Ich hatte nach meinem Start in der Firma oft die Platzaufsicht, da hat man wirklich vorsichtig sein müssen. Das war mir allerdings wesentlich lieber als das enge, kleine Büro, in dem mein Vater und auch viele andere geraucht haben. Ich habe da definitiv die frische Luft am Schrottplatz vorgezogen.

Was waren am Schrottplatz in Waidhofen Ihre Aufgabenbereiche?

Müller-Guttenbrunn: Ich hatte oft die Platzaufsicht und bin selbst gerne mit dem Bagger gefahren. Wenn die Maschinen kleine Defekte hatten, habe ich sie repariert. Ich habe ja eine Lehre als Elektrotechniker und als Industriekaufmann im damals größten Waidhofner Elektrounternehmen absolviert. Daher konnte ich, wenn es elektrische Probleme gab, das zumeist selbst richten – und bei dem rauen Betrieb war ständig etwas zu richten! Da wir zu dieser Zeit viele angelernte Kräfte beschäftigt haben, ist oft mehr passiert, als notwendig gewesen wäre.

1976 erfolgte schließlich der Umzug des Unternehmens nach Amstetten. Was hat sich für Sie damit geändert?

Müller-Guttenbrunn: Da hat sich viel verändert! Ich war ja 1976 praktisch die Vorhut. Es gab damals noch keinen Regelbetrieb. Es war eher so, dass viel Material angeliefert und hier gelagert wurde, während die Anlagen und das Büro errichtet wurden. Das improvisierte Büro war im ersten halben Jahr überhaupt nur ein Wohnwagen. Da musste ich mich selbst um die bürokratischen Arbeiten kümmern. Dazu kam noch, dass uns die Zulieferer teilweise nicht gefunden haben, weil sie es gewohnt waren, nach Waidhofen zu fahren. Noch dazu hatten wir ein halbes Jahr, bevor wir nach Amstetten übersiedelt sind, 500 Meter vom jetzigen Standort ein Zwischenlager, das wir dann aber wieder aufgelassen haben. Das hat für so manche Verwirrung gesorgt, weil alles neu und anders war.

Privat wird für Sie selbst ja auch einiges neu und anders geworden sein…

Müller-Guttenbrunn: Mit der Übersiedlung war mein Arbeitsplatz plötzlich nur noch mit dem Auto erreichbar. Für mich war folglich rasch klar, dass ich irgendwann mit meiner Familie nach Amstetten übersiedeln muss. Es hat sich dann relativ gut ergeben, dass wir gemeinsam mit meinen Eltern ein Doppelhaus gefunden haben und 1977 übersiedelt sind. 

Was hat sich von den Tätigkeiten für Sie verändert?

Müller-Guttenbrunn: Zunächst waren eigentlich nur die Maschinen anders. Ich war weiterhin am Schrottplatz zu finden, habe die Maschinen bedient, bin mit dem Bagger gefahren, habe mit der Großschere gearbeitet und ab und zu bin ich auch mit dem Lkw gefahren. Das war allerdings eher die Ausnahme. Am Samstagvormittag habe ich mich um den Eisen- und Nutzeisenverkauf gekümmert. Allerdings bin ich dann immer mehr in den Einkauf übersiedelt und habe Großkunden betreut. So bin ich dann viel unterwegs gewesen.

Wie hat die Zusammenarbeit  in der Geschäftsführung mit Ihrem Bruder funktioniert?

Müller-Guttenbrunn: Im Grunde waren wir in getrennten Bereichen tätig. Dadurch haben sich kaum Reibungspunkte ergeben. Unser Vater hat uns zudem gelehrt, dass man am meisten lernt, wenn man einmal auf die Nase fällt, und er hat uns oft freie Hand bei den Entscheidungen gelassen. So ist nie ein böses Wort gefallen, wenn einmal aus einem Geschäft nichts geworden ist. Wichtig war, dass man daraus seine Lehren gezogen hat und es kein zweites Mal passiert ist. Ich habe mich nie besonders eingemischt, wenn es nicht unumgänglich war, einer Entwicklung Einhalt zu gebieten. Fehler macht schließlich niemand absichtlich.

Ihr Bruder Herbert meinte in einem Interview, Sie hätten ihm oft den Rücken freigehalten – vor allem während der Expansion der Müller-Guttenbrunn Gruppe ins Ausland. Wie haben Sie das erlebt?

Müller-Guttenbrunn: Herbert war definitiv der Visionär im Unternehmen, dennoch haben wir alles einhellig beschlossen. Er ist immer „an die Front“ hinausgegangen – egal, ob im Ausland oder in der Wirtschaftskammer, wo er ja auch tätig war. Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass mir das nicht so Unrecht war. Ich wollte nicht ständig auf Achse sein. Er hat ja doch einige 100.000 Kilometer im Auto abgespult. Dazu gab es damals noch den Eisernen Vorhang. Da konnte man sich nicht sicher sein, ob man da wieder gesund aus dem Osten zurückkommt. Ich war daher froh, wenn ich nicht dorthin fahren musste. Mir hat gereicht, dass mir in Bratislava einmal binnen fünf Minuten mein Auto gestohlen wurde. Allerdings muss ich zugeben, dass wir dort auch wunderbare Leute kennengelernt haben und tolle Freundschaften geschlossen haben. Allerdings sind wir auch an Leute geraten, wo man lieber nicht anstreifen sollte. Aus diesem Grund haben wir schlussendlich auch die Finger von Geschäften in Russland gelassen – obwohl uns das sehr gereizt hätte. Allerdings haben wir bei deutschen Kollegen gesehen, wie viel Lehrgeld man dort zahlen muss.

Wenn man Lehrgeld bezahlt, sollte man am Ende auch Erfolge feiern können. Was war Ihr persönlicher größter Erfolg in all den Jahren?

Müller-Guttenbrunn: Für mich als Geschäftsführer war es wohl der größte Erfolg, dass wir in der Zeit nach der Krise von 2008 keinen Mitarbeiter kündigen mussten. Dabei hatten wir damals wirklich kaum Aufträge. Mir war es aber wichtig, dass wir unsere Mitarbeiter weiterhin beschäftigen. Unsere Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital. Ich vermute, das wissen und honorieren sie auch, weshalb wir kaum Fluktuation zu verzeichnen haben.

Die Krise von 2008 ist zum Glück überwunden. Wie sehen Sie die aktuelle Lage der Müller-Guttenbrunn Gruppe?

Müller-Guttenbrunn: Die ist aus meiner Sicht äußerst positiv. Mit der verjüngten Mannschaft ist man für die Zukunft gut aufgestellt. Zudem tut sich immer einiges: Manche Bereiche, in denen wir eine Vorreiterrolle innehatten, haben wir zurückgefahren, dafür beschreiten wir ja auch wieder gänzlich neue Wege.

Mit den neuen Wegen sprechen Sie wohl vor allem die Entwicklung vom früheren Schrotthändler zum E-Schrott-Recycler an. Dadurch verwertet man in der Müller-Guttenbrunn Gruppe ja mittlerweile auch Kunststoffe wieder. Wohin wird die Reise Ihrer Meinung nach noch führen?

Müller-Guttenbrunn: So ist es. Die Kunststoffsparte ist ganz wichtig. Vielfach werden die Kunststoffe ja mittlerweile verteufelt, aber sie sind aus unserem Leben gar nicht mehr wegzudenken. So etwa in der Medizin. Daher ist Recycling ganz wichtig – und die dafür notwendige Trennmoral. Ich komme ja doch ein bisschen in der Welt herum und durch meinen früheren Beruf gehe ich wohl mit etwas anderen Augen durchs Leben. In vielen Teilen der Welt ist es Wahnsinn, wie mit Abfall umgegangen wird. Da dürfen wir Menschen uns gar nicht über das Fisch- und Artensterben wundern. Vielfach ist es allerdings eine Frage der Erziehung – hier liegt es an jedem einzelnen selbst, das Richtige zu tun.

Für Sie war es 2010 das Richtige, in den Ruhestand zu treten. Wie leicht ist Ihnen der Abschied gefallen?

Müller-Guttenbrunn: Ich hatte definitiv keinen Pensionsschock. Mit meiner Pensionierung habe ich die Präsidentschaft im Golfklub Amstetten-Ferschnitz übernommen. Diese Aufgabe kommt einem Ganzjahresjob gleich – ständig bin ich für den Verein unterwegs. Aber es macht mir große Freude – immerhin spiele ich ja bereits seit 1984 Golf. Meine Frau unterstützt mich als Vizepräsidentin, da haben wir viel zu tun.

Wie verbringen Sie die weitere Zeit in Ihrem Ruhestand?

Müller-Guttenbrunn: Nachdem ich mich zuletzt einer Operation unterziehen musste, genieße ich jetzt die Zeit noch wesentlich mehr als früher. Ich bin seit 22 Jahren mit meiner Frau Anna glücklich verheiratet. Zusammen haben wir acht Kinder, die uns viel Freude bereiten. Dazu kommen auch bereits acht Enkelkinder – da ist immer etwas los. Zudem reisen meine Frau und ich auch gerne. Seit der Operation ist mein Lebensmotto jedenfalls: Mache es jetzt! Viele sagen immer, dieses und jenes mache ich später, nächstes Jahr oder so – aber man sollte sein Leben im Hier und Jetzt besonders genießen.